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Klimaforschung
 
"Wir suchen das beste Modell, um die nächsten 50 Jahre vorherzusagen."
 Myles Allen, Klimaforscher


Anmeldung und Infos zu Casino 21: http://www.climateprediction.com

aus der Berliner Zeitung - von Lucian Haas:
 Klimaprognosen sind eine Rechnung mit vielen Unbekannten: Regenmengen, Sonnenscheindauer, die Ausdehnung von Waldflächen oder die Wolkenbildung sind nur einige der mehreren hundert Variablen, mit denen die Klimaforscher ihre teuren Super-Computer füttern. Nach monatelanger Rechenarbeit prognostizieren schließlich die Modelle das Klima der nächsten 50 oder 100 Jahre. Das Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie beispielsweise errechnete einen weltweiten Temperaturanstieg bis zum Jahr 2050 von rund 1,5 Grad Celsius gegenüber den Durchschnittswerten der Jahre 1961 bis 1990.
 
Ob dieser Wert realistisch ist? Darüber können die Forscher nur spekulieren. Denn selbst wenn sie die Variablen und deren Zusammenhänge akkurat definieren, sind die Ergebnisse am Ende doch ungenau. Die Gesetze der Chaostheorie führen dazu, dass selbst kleinste Änderungen einzelner Werte mit der Zeit unvorhergesehene Auswirkungen haben können.
Und wer garantiert, dass zu Beginn die richtigen Annahmen getroffen wurden?
 
Britische Klimaforscher wollen jetzt ein wenig mehr Ordnung ins Chaos bringen. "Casino 21" heißt ihr Projekt, das genauere Angaben über die Klimaentwicklung der nächsten fünf Jahrzehnte liefern soll. Zu diesem Zweck wollen die Forscher nicht nur bewusst den Zufall regieren lassen. Sie wollen auch so viele Computernutzer wie möglich dafür gewinnen, ihre PCs über das Internet als Rechenhelfer kostenlos zur Verfügung zu stellen. Noch ist die Software für die PCs nicht komplett, aber es haben sich bereits 17 000 Interessierte per E-Mail beim federführenden Rutherford-Appleton-Forschungszentrum angemeldet.
 
Der Ansatz des Projektes beruht auf der "Monte-Carlo-Methode". Ein Klimamodell wird dabei - zufällig, wie bei den Würfen eines Roulettes im Casino von Monte Carlo - mit unterschiedlichen "Voreinstellungen" versehen. Eine derartige Einstellung ist zum Beispiel der Einfluss einer Bewaldung auf die Verdunstung von Wasser aus dem Boden: Je nachdem, ob er mit "hoch", "mittel" oder "niedrig" angesetzt wird, errechnet das Modell unterschiedliche Prognosen.
Der Trick der Briten: Sie lassen die leicht unterschiedlich eingestellten Modelle zunächst das Klima der letzten 50 Jahre nachrechnen. Aus der Masse der Ergebnisse wählen sie diejenigen aus, die dem tatsächlichen Klima am nächsten kommen - auf diese Weise filtern sie die am besten eingestellten Modelle heraus und nutzen diese dann für eine Simulation der Zukunft. "Wir wollen eine Vorhersage des Klimas im 21. Jahrhundert erreichen, die objektiver und systematischer ist als alles was bislang bekannt ist", beschreibt Ruther Allison, Leiter des Projektes und Klimaforscher an der Universität Oxford, das anspruchsvolle Ziel.
 
Die Monte-Carlo-Methode ist ein beliebtes Verfahren in der Wissenschaft. Physiker setzen sie ein, um beispielsweise die Flugbahnen von kleinsten Teilchen annäherungsweise zu bestimmen, Geologen berechnen mit ihrer Hilfe den wahrscheinlichsten Verlauf von Erdrutschen. In der Klimaforschung galt diese Methode bislang als kaum realisierbar. Denn die komplizierten Klimamodelle verlangen so viel Rechenleistung, dass selbst Supercomputer an nur einer Simulation wochenlang arbeiten. Für eine Vielzahl unterschiedlicher Prognosen würden sie Jahrzehnte brauchen. Um diese Hürde zu nehmen, baut Casino 21 auf die Unterstützung tausender Freiwilliger.



Dass dies funktionieren kann, zeigt das "Seti@Home"-Projekt: Rund zwei Millionen Menschen weltweit laden regelmäßig per Internet Daten von Radioteleskopen in ihren Computer, um mit einem speziellen Programm nach Signalen außerirdischer Intelligenz zu suchen. Die Ergebnisse liefern sie an die Seti-Zentrale in den USA.
 
Ähnlich soll auch Casino 21 funktionieren, wobei allerdings die einzelnen Rechner nicht wie bei Seti als "Sklaven" eines Großrechners jeweils kleine Datenhäppchen abarbeiten müssen. Vielmehr läuft auf jedem PC eine vollständige Klimasimulation, deren Ergebnisse erst nach Abschluss aller Berechnungen an die Casino-Projektzentrale übertragen werden, um dort in die Statistik einzufließen.
 
Bis vor wenigen Jahren gab es aussagekräftige Klima-Rechenmodelle nur für Großcomputer. "Doch die PCs sind sehr leistungsfähig geworden", sagt Edilbert Kirk, der am meteorologischen Institut der Uni Hamburg PC-Programme zur Klimaprognose entwickelt. "Von 64 Megabyte Arbeitsspeicher und einem 200 Megahertz-Pentium-Prozessor aufwärts werden Berechnungen wie für das Casino-Projekt möglich."
 
Wer bei Casino 21 mitmachen will, braucht Geduld. Mindestens sechs Monate dauert es, bis die schnellsten PCs ein Klimamodell durchgerechnet haben - vorausgesetzt sie laufen 24 Stunden am Tag. Ausschalten ist dennoch erlaubt, denn das Programm speichert alle Zwischenstände. "Selbst wenn eine 50-Jahres-Simulation auf einem Privat-PC länger als ein Jahr dauert", schreiben die Wissenschaftler, "ist sie sinnvoll." Denn am Ende helfe das Resultat, die realistischste Prognose für das Jahr 2050 abzugeben.
 
Auf ihren Computer brauchen die Nutzer während der Simulationsläufe nicht zu verzichten. Die Software nutzt nur dann den Prozessor, wenn dieser nicht durch andere Programme gebraucht wird. "Das Modell läuft immer im Hintergrund und
behindert oder verlangsamt andere Programme nicht", sagt Myles Allen, der am Rutherford-Appleton-Forschungszentrum das Konzept des Casino-Projektes entwickelte.
 
Allen: "Selbst wenn es nur die 17 000 Teilnehmer bleiben, die sich angemeldet haben, würde das Experiment schon sehr interessant verlaufen." Werden es mehr, so steigt die Chance, dass unter den vielen zufällig eingestellten Modellen eines
ist, das die nächsten fünfzig Jahre besser als alle Modelle bisher vorhersagt. Das wäre dann der große Wurf.